16. November 2010

Desinteressierte Arroganz

Dass Somewhere den Goldenen Löwen in Venedig gewonnen hat, erscheint mir unbegreiflich, ein Film ohne jede Substanz und Haltung, stattdessen eine quälend langweilige Studie über einen ebenso gelangweilten Hollywoodschauspieler, in dessen Leben wenig passiert, außer dass ihm ein paar identisch aussehende Frauen diverse Sexangebote machen und er Zeit mit seiner 11-jährigen Tochter totschlägt.

Coppolas Film ist in seiner existenziellen Schlaffheit und stylischen Desinteressiertheit vielleicht vergleichbar mit der großen literarischen Enttäuschung des Jahres, Brett Easton Ellis' neuer Roman"Imperial Bedrooms". Wo Ellis sich seitenlang in endlos-detaillierten Beschreibungen der Fahrtrouten seines Protagonisten durch Los Angeles ergeht, lässt Coppola ihre Hauptfigur in öden Einstellungen in seinem Ferrari durch die blassgraue Stadt kurven.
Andere quälend lange Einstellungen zeigen die Performance eines Zwillingsschwestern-Tanz-Duos, die Tochter beim Eislaufen, Vater und Tochter beim Wee-Spielen usw. usf. Das ganze ohne jegliche Spannung oder nennenswerte Konflikte. Wozu, warum dies alles? Darauf hat der Film offenbar genauso wenig Antworten wie seine Hauptfigur Johnny Marco auf die wichtigen Fragen des Lebens.

Wenn man annimmt, dass Coppola hier einfach nur ihre eigene Hollywood-verwöhnte Langeweile in zugegebenermaßen schönen Bildern inszeniert, mag das Ganze durchgehen, doch unangenehm wird es, wenn Nebenfiguren ins Spiel kommen, Hier neigt Coppola zur Typisierung: ähnlich wie sämtliche Japaner in Lost in Translation zu Vertretern einer fremden also unverständlichen also lächerlichen Kultur degradiert wurden, werden auch die Italiener, die  Johnny Marco anlässlich einer Preisverleihung in Mailand in Empfang nehmen, gnadenlos als Witzfiguren vorgeführt. Ebenso alle Frauen, die Johnny Marco im Film Avancen machen oder mit ihm im Bett landen: austauschbare Blondschnitten, gierig nach ein bisschen Starruhm und immer zu einem Quickie bereit.

Dies mag aus Johnnys Macho-Perspektive erzählt sein, aber Coppola macht uns zu seinen Komplizen. Der herablassende Blick ist der Blick der Kamera. Johnnys homophobe Panik anlässlich eines gutgebauten männlichen Masseurs, der ihn nackt massieren will, fällt nicht auf Johnny zurück, die Inszenierung suggeriert auch dem Zuschauer Befremdung über die 'bizarren' Vorlieben des Masseurs. 'Ein weiterer trauriger Hollywoodfreak' scheint Coppola uns gelangweilt zuzuraunen, ebenso wie die tanzenden Stripschwestern, die willigen Blondinen und das übrige austauschbare Personal (tatschächlich handelt es sich überwiegend um Dienstboten), auf das Coppola mit desinteressierter Arroganz herabblickt.